Stromautobahn für energiepolitische Geisterfahrer

Zu den Berichten in der Mittelbayerischen Zeitung über die Planungen für die HGÜ-Trasse SüdOstLink, die durch den Landkreis Regensburg gehen soll, schrieb BüfA-Mitglied Karl Bierl folgenden Leserbrief, den die MZ am 01.10.2016 veröffentlichte:

Stromautobahn für energiepolitische Geisterfahrer

Nachdem nun endlich mögliche Verlaufsplanungen für die „Stromautobahn“ SüdOstLink , die von Sachsen-Anhalt, mitten durch die Oberpfalz, bis Landshut gehen soll, bekannt gegeben wurden, finden demnächst Infoveranstaltungen statt. Solche Infotermine dienen der Akzeptanzförderung und sind bei solchen Großprojekten mittlerweile üblich, um den betroffenen Bürgern das Gefühl zu geben, an den Entscheidungen beteiligt zu sein. Tatsache ist aber, dass die Betroffenen bei diesen Stromautobahnen herzlich wenig mitentscheiden können.

Betroffen vom SüdOstLink sind ja nicht nur die Personen, die in unmittelbarer Nähe der künftigen Trassen leben. Betroffen sind vielmehr alle Stromkunden, denn sie werden die horrend hohen Investitionskosten für die Stromautobahnen bezahlen. Und da beginnt schon der politische Irrsinn. Denn zu den zu erwartenden Kosten gibt es die unterschiedlichsten Angaben. Die Bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner spricht von 6 Milliarden Euro für beide Stromtrassen. Der Tennet-Geschäftsführer schätzt die Gesamtkosten auf etwa 15 Milliarden Euro. Bis vor kurzem gab es von Tennet noch Kostenschätzungen um die 30 Milliarden Euro. Woher kommt die plötzliche Kostenreduktion, wo doch die jetzt beschlossene Erdverkabelung teurer sein müsste als die früheren Planungen? Offensichtlich versucht die Staatsregierung, die Kosten herunterzurechnen, um die Bürger nicht zu erschrecken. Da kann man sicher sein, dass die endgültigen Kosten dieses Großprojekts um ein Vielfaches höher sein werden als veranschlagt.

Aber das ist nur eine der vielen Ungereimtheiten und Widersprüche bei diesem Projekt. Genauso dubios ist der Zeitplan. Behauptet wurde, die Stromtrassen seien notwendig, um unsere Stromversorgung zu sichern, wenn die letzten bayerischen AKW´s 2022 abgeschaltet werden. Aber dafür kommen die Trassen einige Jahre zu spät, da sie, „optimistisch gesehen“, so TenneT, frühestens 2025 fertig sein sollen.
Noch dubioser ist aber die immer wiederholte Behauptung, die Trassen sollten Windstrom nach Bayern bringen. Tatsache ist, es geht hauptsächlich darum, Kohlestrom zu transportieren, damit die großen Energiekonzerne ihre Kohlekraftwerke noch möglichst lange profitabel betreiben können. Zur Erinnerung: Ursprünglich war der Startpunkt des SüdOstLinks im Braunkohlerevier bei Halle geplant. Das war nun doch etwas zu offensichtlich, also wurde die Trassenplanung etwas geändert. Aber die Braunkohlekraftwerke mit enorm hohem CO2-Ausstoß liegen natürlich immer noch dicht an der Stromautobahn. Dass die geplanten Stromautobahnen auf Kohlestrom ausgerichtet sind, stellte übrigens kürzlich auch das seriöse Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in ihrer Studie „Stromnetze und Speichertechnologien für die Energiewende“ fest, wo es zusammenfassend heißt, dass die geplanten HGÜ-Leitungen darauf angelegt sind, „in wenigen Stunden mit viel Wind gleichzeitig auch viel Strom aus Kohlekraftwerken zu transportieren“. Dass der Trassenbau damit allen klimapolitischen Zielen widerspricht, liegt auf der Hand.

Insgesamt sind die geplanten Stromautobahnen völlig kontraproduktiv für die Energiewende, indem sie einer dezentralen regenerativen Stromerzeugung und einem raschen Ausstieg aus der fossilen Stromerzeugung entgegenstehen. Wenn die Bayerische Staatsregierung mit der 10H-Regelung nicht den Windkraftausbau in Bayern abgewürgt hätte, wäre ein Stromimport aus dem Norden gar kein Thema. Die Staatsregierung sollte die 10H-Regelung, die gegen den Widerstand aller Umweltschutzverbände durchgesetzt wurde, rückgängig machen. Und anstelle von milliardenschweren Subventionen für Netzbetreiber, Betreiber von Kohlekraftwerken und andere energiepolitische Geisterfahrer sollten besser dezentrale Speichertechnologien und die Power2Gas-Technologie gefördert werden.

Mehr Infos: https://www.buefa-regensburg.de/positionen/leserbrief/