35 Jahre SuperGAU von Tschernobyl

Klimamahnwache vom 30.04.2021 in Regensburg

Foto: Walter Nowotny

Redebeitrag zur Klimamahnwache in Regensburg am 30.04.2021 von Franz Waldmann – Sprecherteam BüfA Regensburg

Zwei Ereignisse in dieser Woche spornen uns an, weiter auf die Strasse zu gehen und ehrliche, nachhaltige Aktionen zum Klimaschutz einzufordern: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vom 20.09.2019 sowie das traurige Jubiläum des SuperGAUs von Tschernobyl am 26.04.1986.

Das gestrige Urteil aus Karlsruhe scheint epochal, zumal es die Bundesregierung nun zu konkreten Vorgaben zum Klimaschutz zwingt. Wir erinnern uns alle an den 20.09.2019: An diesem Freitag war globaler Klimastreik der FridaysForFuture und über 1,4 Mio Menschen gingen in Deutschland auf die Strasse. Und Karlsruhe bekräftigt die Forderungen dieser 1,4 Mio Menschen, die vor eineinhalb Jahren bitter enttäuscht wurden. Vielleicht sollte Frau Merkel ihren Satz „Politik ist das, was möglich ist“ nochmal überdenken, denn nach Vernichtung unserer Lebensgrundlagen ist nichts mehr möglich – auch nicht für Frau Merkel und Herrn Altmaier als Adjudant einer Wirtschaft, die nur rücksichtslose Gewinnmaximierung im Sinn hat.

Wir dürfen es gerne als Affront werten, wenn der Abgeordnete und ehemalige Fraktionsvide der CSU-Bundestagsfraktion Georg Nüßlein beim sog. Kohlekompromiss von „Planwirtschaft“ spricht. Jener Herr Nüßlein, der durch sog. Maskendeals auffällig wurde. Wer mit Deals zur Befriedigung von Gründbedürfnissen in die eigene Tasche wirtschaftet, ist kein ehrenwerter Geschäftsmann und noch viel weniger ein Vertreter des Volkes, der von ihm schaden abwenden soll. Hätte womöglich ein früherer Frontmann der CSU seinen politischen Gegner bei solch einem Verhalten als „Verbrecher“ bezeichnet?

Jener Herr Nüsslein vertritt im Bundestag u. a. den Wahlkreis Günzburg. Dort steht das Atomkraftwerk Gundremmingen – der letzte laufende Siedewasserreaktor in Deutschland. Herr Nüsslein war einer der Treiber für die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke 2009/2010. Im Gesamtzusammenhang dürfen wir die Frage stellen, welche Interessen vertritt Herr Nüsslein? Gibt es Parallelen zu den Maskendeals? Vertritt er die Interessen des RWE-Konzerns – der das AKW Gundremmingen betreibt?

Konzernen wie RWE ist es brilliant gelungen, notwendige Kosten wie z. B. die Kosten für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen der Allgemeinheit zu übertragen. Die Big4 (RWE, EON, Vattenfall, EnBW) haben mit lächerlichen 24 Mrd. EUR die Bundesrepublik Deutschland abgespeist und ihr die Verantwortung des höchst gefährlichen Mülls übertragen. Wir wissen: 2 Generationen haben von der Atomenergie profitiert, 40000 Generationen dürfen auf den Atommüll aufpassen. Wo bleibt hier de Generationengerechtigkeit? Und wieso spricht hier z. B. Herr Nüsslein nicht von Planwirtschaft? Die Folgekosten darf gerne wieder die steuerzahlende Allemeinheit aufkommen. Wie hoch ist wieder der Steueranteil der Grosskonzerne?

Die sog. friedliche Nutzung der Atomenergie war nie wettbewerbsfähig und wird auch in Zukunft nie sein. Der französische Staatskonzern EDF musste nach dem finanziellen Disaster des EPR-Reaktors in Olkiluoto die Anteile von Areva kaufen, nachdem dieser aufgrund dieser Investition in eine existenzielle Schieflage geraten ist.

Die Vorstellung der billigen Stromerzeugung durch Atomenergie hat sich als Märchen erwiesen. Anfang der 1990-er Jahre wurde das Konzept des sog. EPR (Europäischer Druckwasser Reaktor) entwickelt. Die Standardisierung sollte die Kosten des Baus von Atomkraftwerken reduzieren. Betrachten wir die finanzielle Entwicklung dreier Baustellen in Europa (Finnland, Frankreich und England), so entwickeln sich diese drei EPR-Projekte als unendliches Milliardengrab einer veralteten, nicht zu beherrschenden und höchstgefährlichen Technologie.

Inzwischen machen neue Technologien von sich reden. Heilsbringer sollen unter anderem die sog. Generation 4 Reakoren sein. Dieses Konzept dieser Powerpoint-Reaktoren ist über 70 Jahre alt und hat 70 Jahre nicht funktioniert. Eine Abart dieses Konzepts nennt sich DualFluid Reaktor – ein Konzept des Berliner Instituts für Festkörper-Kernphysik. Wer etwas intensiver nach den Erfindern dieses Konzepts sucht, stösst auf Veranstaltungen jenes Instituts in Verbindung mit der AfD. Welche Meinung hat die AfD zum menschengemachten Klimawandel?

In den USA schwappt die Idee der sog. SmallModularReaktor in Richtung Europa. Auch hier argumentieren die Protagonisten, eine Standardisierung senke die Kosten. Dies ist definitiv nicht der Fall. Und jene Reaktorkonzepte haben nur einen Hintergrund: Das Militär benötigt diese u. a. für Atom-Uboote und für andere militärische Zwecke, um beispielsweise für eroberte Gebiete schnell Energie zur Verfügung zu stellen.

Selbst eine Laufzeitverlängerung bestehender Atomkraftwerke bringt uns weiter in Bedrängnis. Das AKW Gundremmingen beweist immer wieder, dass Atomreaktoren nicht zu den Erneuerbaren passen. Etliche male musste der Windpark in Fuchstal abgeschaltet werden, weil Gundremmingen C mit voller Leistung ins Netz einspeiste. Gottseidank hat die Bundesregierung die Idee des EEG Anfang in den 2010-er Jahren auf den Kopf gestellt und nun dürfen die EEG-pflichtigen Stromkunden mit der Umlage den Stillstand der Windkraftanlagen finanzieren. RWE verdient mit dem Weiterlaufen der AKW’s weiter Geld.

Mit jedem Tag Laufzeit steigt überproportional das Risiko eines schweren Unfalls. Der neueste Reaktor in Deutschland – Neckarwestheim 2 – ist in einem desaströsen Zustand und es besteht jederzeit die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung aufgrund eines schadhaften Dampferzeugers. Ein Auto dürfte in diesem Zustand nicht mal mehr vom Hof der Prüfstelle fahren und würde schlagartig stillgelegt.

Wollen wir wirklich den Betreibern noch vertrauen, die in der Fachzeitschrift „Atomwirtschaft“ 1984 das Reaktorkonzept des Druckröhrenreaktors wie in Tschernobyl als zukunftsweisend betrachtet hatten?

All dies beweist: Atomkraft ist kein Klimaretter. Denn:

  • Atomkraft verdrängt die Erneuerbaren aus dem Netz. Bis jetzt haben die Betreiber nicht bewiesen, dass der sog. Lastfolgebetrieb auch wirklich funktioniert
  • Mit mehr weit über 10 Jahren Realisierungszeit von Atomreaktoren ist die Atomenergie keine Lösung für unser Klimaproblem.
  • Atomenergie ist eine Grosstechnologie, die eine Beteiligung nicht zulässt. Sie ist Teil eines veralteten und überholten Energiekonzepts.
  • Atomenergie ist nicht generationengerecht
  • Atomenergie fördert durch den Uranabbau den Kolonialismus und zerstört in den Abbaugebieten die Heimat von Eingeborenen
  • Atomenergie ist nicht klimaneutral. Die Berechnungen, dass Atomenergie einen ähnlichen CO2-Ausstoss hat als Solarenergie, sind veraltet. Die Berechnungen basieren auf Daten von 2007. Die Atomenergie hat sich nicht weiterentwickelt, aber die Solar- und Windenergie. Somit dürfte sich alles mehr zum Nachteil der Atomenergie entwickelt haben. Und bei der Betrachtung fehlt noch die Entsorgung des hochradioaktiven Mülls.

Die Energiewende geschieht von unten. Fordern wir mehr Gerechtigkeit ein, sowohl im Sinne des Klimaschutzes als auch im Sinne der gesellschaftlichen Beteiligung:

  • Wechseln wir den Stromanbieter und beziehen Strom von Bürgergenossenschaften, die Wind- und Solarparks in der Region betreiben.
  • Beteiligen wir uns finanziell und zeichnen Anteile von den regionalen Bürgergenossenschaften.
  • Nutzen wir unsere Dächer durch Photovoltaik und erzeugen unseren eigenen Strom. Das Sahnehäubchen ist noch das eigene eAuto, das mit dem selbsterzeugten Strom uns die notwendige Mobilität gibt, wenn der ÖPNV versagt.
  • Machen wir Druck in unseren Kommunen: PV-Ausbau auf allen kommunalen Liegenschaften und Beteiligung der Bürger an der kommunalen Netzinfrastruktur.
  • Lassen wir uns nicht von einer Minderheit an Energiewendeverhinderern einschüchtern – die Mehrheit ist für den Ausbau von Photovoltaik und Windenergie. Diese Mehrheit muss sich nur mal anständig artikulieren. Sinzing ist ein postitives Beispiel.
  • werden wir nicht „klimablind“ und verlieren nicht die gesamte Aufgabe aus den Augen
  • Gehen wir weiter auf die Strasse und fordern mehr Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Lassen wir uns davon nicht aussperren.